blindfold variations III

reflexionen



Lui Janele - "PAINT LIKE YOU NEVER KNOW HOW TO PAINT."

Diese Worte, mit denen Lui Janele hier sein Werk betitelt, können als vage Deutung und Hinweis darauf verstanden werden, dass im Vorfeld seines künstlerischen Schaffens nicht lange geplant, theoretisiert oder diskutiert worden ist. Nein, es wurde stumm und kraftvoll zugleich, unter Einsatz des ganzen Körpers und in lustvollem Spiel mit Material, stets in innerem Dialog mit dem jeweiligen Bild, gearbeitet. Hier auf Jute, auf normaler Leinwand und mit Druck auf Büttenpapier.

Vielleicht könnte man den Titel "Paint like you never know how to paint" auch als einen vom Künstler gezogenen und gewollten Sicherheitsabstand verstehen, den er notwendigerweise in Anspruch nimmt, um nicht erklären zu müssen, was nicht zu erklären ist.

Dazu ein von der Sprache auf das Bild geringfügig abgewandeltes Zitat von Ludwig Wittgenstein (aus seinen philosophischen Untersuchungen):

"Man glaubt, wieder und wieder der Natur nachzufahren, und fährt nur der Form entlang, durch die wir sie betrachten. Ein Bild hielt uns gefangen. Und heraus konnten wir nicht, denn es lag in uns (Wittgenstein: … in unserer Sprache)."

Boris Pasternak wiederum sagte: "In der Kunst schweigt der Mensch, und das Bild spricht. Und es wird offenbar, dass nur das Bild mit den Erfolgen der Natur Schritt halten kann."

Ein Philosoph muss mit seinen philosophischen Forschungsgepflogenheiten, wenn er die Probleme der künstlerischen Einbildungskraft studieren will, brechen. Hier zählen nicht die Jahre der Ausbildung; die lange Anstrengung von Gedanken-verbindungen und Gedankenkonstruktionen sind unwirksam. Hier heißt es, gegenwärtig sein, in der Gegenwart der Bilder eines Lui Janele. Wenn es eine Philosophie seiner Werke gibt, dann muss diese Philosophie entstehen und wieder entstehen – aus der Gelegenheit einer dominierenden Form, aus der Hingabe an ein isoliertes Bild, im genauesten Sinn aus der Ekstase einer Bildneuheit.

Lui Janele's Bilder sind ungestüm und kräftig. Voll strotzender Energie. Sowohl in ihrer Linienführung wie auch in ihren Farben. Dabei wechseln sich Derbheit und Zartheit - nur scheinbar widersprüchlich - ab und genau dieses Spannungsfeld zwischen zart und hart schafft radikale Authentizität, weil hier nicht schön gemalt, sondern beinahe eruptiv gearbeitet wird. Lui Janele's Bilder verschweigen nicht, was heraus und an die Oberfläche will. Sexualität als ewige Triebfeder des schöpferischen Aktes wird hier nicht vertuscht, sondern bewusst oder unbewusst einbezogen und dem Betrachter, der Betrachterin selbstverständlich zugemutet.

Das Bild ist ja ein plötzliches Hervortreten des seelischen Geschehens. Der Begriff Prinzip, der Begriff Basis – hier wären sie vernichtend. Solche Begriffe würden die wesenhafte Aktualität, die wesenhafte psychische Neuheit eines Werkes versperren. Denn die von Psychologen und Psychoanalytikern angeführten Ursachen können den wahrhaft unerwarteten Charakter eines neuen Bildes niemals recht erklären und ebenso wenig die Zustimmung, oder auch Ablehnung, die es in seinen Betrachtern und Betrachterinnen erwecken kann.

Lui Janele's Bilder verführen nicht, tiefsinnig und langwierig über die Form zu sprechen. Die Form ist das Sein, der existenzielle Auftrag des Künstlers Lui Janele, SEIN Ziel. Die Verführung seiner Kunst liegt anderswo.

Und ich habe niemals viel davon gehalten, einen Künstler zu befragen, was er sich während seiner Arbeit gedacht, was er empfunden hat. Ehrlich gesagt, ich wollte es auch niemals so genau wissen. Es genügt, wenn ein Werk andere erregt und bewegt, aus Erfahrungstiefen Verschüttetes hervorholt und vorhandene Erlebnismöglichkeiten freilegt, Phantasie und Traum ermöglicht, Neugier schürt und Kraft vermittelt. Mit diesen Fähigkeiten ausgestattet, ist Realität zu ertragen. Das ist es, was Kunst leisten kann. Und Janeles Bilder können das in einem sehr hohen Maß. Sie sind wahrhaftig nicht immer aufbauend, aber sie sind wahrhaftig. Voll praller Lebendigkeit. Und damit laden sie den Betrachter, die Betrachterin in großzügiger Geste ein, den künstlerischen Schöpfungsakt innerlich fortzusetzen.

Lui Janele gebührt Dank. Für die Kraft, für den Mut, die Kompromisslosigkeit und Aufrichtigkeit, aber auch für die geballte Energie, die aus ihm heraus in seine Bilder strömt. Dank gebührt auch seiner Werktreue, nämlich ihm und seinen Arbeiten gegenüber, die sich von Anfang an radikal und klar, oft unbequem, aber immer herausfordernd und lustvoll, durch seine Arbeiten zieht. Für Kunstsammler ist Lui Janele unverwechselbar geworden. Auch das ist Kunst.

Eleonore Köck, 20.08.2009, Wien, Künstlerhaus, k/haus salon, Auszug